Havarie im Kattegat – Ruderbruch

Es hatte eigentlich als eine wunderschöne Septemberreise begonnen. Eine Omega Wetterlage bescherte mir südliche Winde zwischen 3 und 5 Beaufort und so konnte ich in 42 Stunden von Lohme auf Rügen nonstop bis nach Smögen in Schweden durchsegeln (ca. 240 Seemeilen) und nach kurzer Pause dort am nächsten Morgen noch einmal ca. 50 Seemeilen bis nach Verdens Ende in Norwegen.

Das sollte meine 1. Qualifikation für einen späteren Trip in den nächsten Jahren nach Portugal sein. Aufgrund der wirklich günstigen Bedingungen hat auch alles sehr gut geklappt, auch die Nachfahrt mit vielen kurzen „Powernaps“ war überhaupt kein Problem, sondern viel einfacher als gedacht. Für nächstes Jahr denke ich als 2. Qualifikation an einen nonstop Trip über 330 Seemeilen (etwa die Biscaya Distanz Brest – A Coruna), vielleicht Richtung Estland.

Soweit so gut. Zurück bin ich dann in kleinen Etappen via Smögen und Marstrand nach Göteborg gesegelt, wo ich am Freitag meinen Freund Thomas an Bord genommen habe. Der Plan war in knapp einer Woche zusammen zurück nach Deutschland zu segeln. Weit sind wir allerdings nicht gekommen. Am Sonntag gegen 13:30 Uhr segelten wir im Kattegat ca. 10 Seemeilen westlich von Falkenberg bei WSW zwischen 18 – 22 kn und einer Wellenhöhe ca. 1.50 m mit halbem Wind, das Groß maximal gerefft und Fock einen schönen Anlieger flott Richtung Süden .  Plötzlich ging ein kurzer Ruck durch das Schiff und wir hörten ein lautes scharrendes Geräusch von unten. Das Schiff verlor sofort die Steuerfähigkeit und ging in den Wind. Das Ruder ließ sich frei drehen und auch die Ruderwelle drehte mit, es gab aber keine Ruderwirkung mehr. Vermutlich sind wir über irgendetwas drüber gesegelt, das knapp unter der Wasseroberfläche gewesen sein muss, konnten aber weit und breit nichts entdecken. Die Bilge blieb trocken, also glücklicherweise kein Wassereinbruch. Wir bargen die Segel, riefen über VHF Sweden Rescue an und ließen uns von der schwedischen Sjöräddning nach Falkenberg schleppen.

Video vom 1. Teil der Reise (ca.17 Min.)

Am Dienstagabend konnten wir das Schiff in Falkenberg im Falkenbergs Batsällskap Segelverein aus dem Wasser nehmen und den Schaden begutachten. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der schwedischen Seenotretter und der Kameraden aus dem Segelverein war überwältigend und hat uns sehr geholfen mit der völlig ungewohnten und unübersichtlichen Situation klar zu kommen.

Die Edelstahl Ruderwelle ist im Übergang zwischen dem oberen Teil mit 79 mm und dem unteren Teil etwas geringeren Durchmesser, direkt unmittelbar unter der Schweißnaht zwischen beiden Teilen durchgebrochen. Der untere Teil der Ruderwelle und der größte Teil des Laminats sind verschwunden. Nur ein geringer Teil des Laminats ist im oberen Bereich noch vorhanden. Der sehr stabil gebaute Ruderkoker und die Lager scheinen vollkommen intakt geblieben zu sein. Große Erleichterung, wenigstens das. Vorne am Kiel ist auf halber Höhe eine Beschädigung der Beschichtung festzustellen, die auf einen Aufprall schließen lässt: vielleicht ein Balken, der erst vorne angeschlagen und dann hinter den Kiel gedreht wurde und dort das Ruder abgeschlagen hat. Wir wissen es nicht.

Wir haben die Reste des Ruders komplett ausgebaut. Eine Reparatur auf Basis der noch vorhandenen Reste schien uns aussichtslos. Wir haben Kontakt aufgenommen mit Jefa Rudder Systems in Kopenhagen, um die Möglichkeit für die Herstellung eines neuen Ruders zu prüfen und eine Kostenschätzung zu bekommen. Jefa empfahl die Vorlage der noch vorhandenen Ruderteile um eine Kostenschätzung machen zu können. Mit einem Mietwagen brachten wir die Reste des Ruders nach Kopenhagen zur Fa. Jefa. Ein Rundgang in der Fabrikation, Maß nehmen und Beratung für die Herstellung des neuen Ruders überzeugten mich schnell und restlos und ich beauftrage die Herstellung gleich noch vor Ort. Am nächsten Tag ging mir die Bauzeichnung zur Prüfung zu und nach Klärung und Justierung einzelner Details konnte der Startschuss für die Herstellung gegeben werden. Mit ein bisschen Hin und her in der Produktionsplanung konnte Jefa die Herstellung sogar beschleunigen und kündigte mir eine Lieferung bereits in 2 Wochen an, so dass ich hoffen konnte, das Schiff noch im Oktober zurück nach Deutschland bringen zu können.

Die Lieferung des neuen Ruders erfolgte pünktlich wie angekündigt und einige Tage später konnte ich das Schiff erneut slippen lassen und das neue Ruder mit tatkräftiger Hilfe der schwedischen Kameraden aus dem Segelverein einbauen. Entgegen meiner Sorge, dass irgendein Maß abweichen würde, passte wirklich alles exakt auf den Millimeter. Allerdings ist das neue Ruder inkl. Welle ca. 2.70 m lang und dementsprechend hoch musste das Schiff geliftet werden. Doch auch das gelang reibungslos. Jefa hatte für die Montage am Kopf der Welle ein 8 mm Gewinde eingelassen, in das wir einen Gewindestab geschraubt haben, den wir dann über eine Mutter Umdrehung für Umdrehung nach oben ziehen konnten. Nach ca. 2 Stunden saß die Welle komplett an ihrem Platz und der Sicherungsbolzen war fixiert.

Einen groben Fehler habe ich aus Unwissenheit und in meiner Aufregung allerdings doch gemacht: ich habe die Welle und die Kunststofflager mit Wellenfett geschmiert – mit dem paradoxen Effekt, dass das Ruder nun sehr schwergängig ist. Die Schmierung der Wellenlagerung sollte nur durch Seewasser erfolgen – mein Fehler. Beim Gang ins Winterlager werde ich die Welle erneut ziehen und Lager und Welle reinigen müssen um dann in der nächsten Saison ein seewassergeschmiertes leichtgängiges Ruder zu haben.

Nach einer schnellen und reibungslosen Rücküberführung liegt das Schiff inzwischen wieder in seinem Heimathafen und wartet auf den Gang ins Winterlager.

Video von der Rückreise (ca.3 Min.)

Großes Lob auch für Wehring&Wolfes: die Versicherung hat sich den Schadensfall schriftlich schildern und durch Fotos belegen lassen und dann umgehend die Kostenübernahme zugesagt. Bei Gesamtkosten von einigen tausend Euro – trotz hoher Eigenleistung – ist das wirklich eine gute Nachricht und eine große Hilfe!

Alles in Allem eine massive Erfahrung! Es hat sich so angefühlt wie in vollem Lauf von den Füßen geholt zu werden und mir sehr deutlich vor Augen geführt, wie fragil und verletzlich so ein Schiff letztlich ist. Ich darf mir nicht vorstellen, was so ein Ruderbruch bei der Einfahrt in schwierige Schärengewässer bei Wind und Welle bedeutet hätte. Oder mitten auf der Biscaya. Das muss ich erst noch verarbeiten. Die beste Erfahrung war die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der schwedischen Segelkameraden und Seenotretter und die Geschwindigkeit und Präzision, mit der die Fa. Jefa ein absolut passendes Ersatzruder geliefert hat.

Und ja last but not least: Falkenberg ist ein Ort, an dem man auf dem Weg Richtung Norden oder Süden meist schnell vorbei rauscht. Dabei lohnt es sich durchaus hier einmal zu verweilen, wenn man ein paar Tage Zeit hat. Falkenbergs Batsällskap bietet einen netten und aufgeräumten kleinen Hafen mit allen Serviceeinrichtungen wie sauberen Duschen und Toiletten, kostenlosen Fahrrädern, Abwasserentsorgung und sogar einen Travellift. Ein großer Supermarkt ist fußläufig in 10 Minuten ebenso erreichbar wie ein sehr schöner und riesiger Badestrand.